"Replica" Spindel um 1820

J.Roth_Ehrenberg
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"Replica" Spindel um 1820

Beitrag von J.Roth_Ehrenberg »

Hallo,
nochmals stelle ich hier eine "Replica" aus längst vergangenen Tagen ein.
Es handelt sich um eine Spindeltaschenuhr (So genannt wegen der Spindelhemmung) aus der Schweiz, hergestellt um etwa 1820.

Optische Merkmale:
Die Uhr besitzt ein typisches Ziffernblatt dieser Zeit. Allerdings orientiert es sich an englischen Vorbildern, da auf dem Kontinent bereits vielfach arabische Ziffern benutzt wurden. Das Ziffernblatt ist signiert mit D.D.Neveren London, was ein typischer Phantasie Name ist. Desweiteren fallen die Zeiger auf, welche sich aus einem Poker und einem Beetle Zeiger zusammen setzen und besonders im England des 18.Jahrhunderts beliebt waren. Die Uhr wird von einem Übergehäuse geschützt, welches bei der 12 einen, für die Zeit, in England typischen Regency Pendanten zur schau stellt. Der Aufzug erfolgt von hinten, die Stellung der Zeiger mit einem Vierkant von forne. Das Werk ist Feuervergoldet, besitzt einen Deckstein (englisches Merkmal), die Signatur D.D.Neveren, runde Platinenpfeiler (englisches Merkmal), ein ausgesägtes, florales Muster auf der Platine, sowie eine Unruh-Brücke. Die optischen hauptmerkmale für eine Fälschung sind hier die Unruhbrücke, da in englischen Uhren sogut wie ausschließlich Kloben (also Unrulagerungen mit nur einem Fuß) verbaut wurden. Des weiteren ist dieses Werk auf einem Rohwerk der Japy Freres aufgebaut und ist so nur in der Schweiz und Frankreich zu finden.

Technische Merkmale:
Als wichtigstes Merkmal für eine Fälschung ist die einstellbare Potence / Gegenpotence zu sehen. Hiermit kann man den Abstand, sowie Eingriff der Hemmung verstellen. Diese Erfindung gab es so nur in der Schweiz und in Frankreich.

Hintergrund:
Da englische Spindeluhren die Beliebtheit der meisten Kontinentalen bei weitem übertrafen ( aufgrund von besseren Verarbeitungsmethoden und isgesamt besserer Qualität) und Spindeluhren zu der Zeit noch viel Handarbeit erforderten (entsprechend hoch waren die Preise), entschieden sich viele Käufer für eben jene. Eine Spindeluhr sollte noch eher Statussymbol als "Uhr" sein und von daher war es ein "No Go" mit einer Schweizer Uhr von einem unbekanntem Uhrmacher herumzulaufen.
Da die löhne in der Schweiz sehr gering waren und viele Uhrmacher um ihr tägliches Brot kämpfen mussten, lag es nahe den Verkauf ein bischen zu "puschen" und englische Uhren zu fälschen.
Viele Käufer merkten den Unterschied nicht.

Zustand:
Der Zustand der Uhr ist eher mäßig!
Das Zifferblatt hat Abplatzer, das Glas kann man "in die Tonne kloppen" und das Werk sollte ich demnächst mal reinigen (verrostete Aufzugskette und Dreck, sowie ein Vorlauf von 30 min.)

So, hier nun die Bilder:

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Loch für den Aufzug:
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Die Potence:
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Die Gegenpotence:
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Schein Punzen:
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Und hier ist ein Video von der kleinen :mrgreen:

Ich hoffe es hat gefallen!

Liebe Grüße
M.
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Ripper
Beiträge: 62
Registriert: Fr 8. Jul 2011, 03:52

Re: "Replica" Spindel um 1820

Beitrag von Ripper »

Du zeigst uns hier einen Teil des traditionsreichen schweizer Uhrenbaus auf den man sonst nicht mit dem Kopf gestoßen wird.
Aber dafür wird immer wieder gern Richtung Asien geläßtert.
Freie Marktwirtschaft ist aber keine Einbahnstraße und kein Kuchen besteht nur aus Rosinen.
Danke für den sehr interressanten Beitrag, weiter so. :)
unruh
Beiträge: 73
Registriert: Fr 29. Apr 2011, 15:53

Re: "Replica" Spindel um 1820

Beitrag von unruh »

Hallo J.Roth_Ehrenberg,
vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich finde ihn sehr interessant!
Beste Grüße
unruh
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